Wie sich Dienstleister aufstellen müssen

Parallel zur rasanten Entwicklung von Technologien steigen auch die Ansprüche an Dienstleistungen. Durch Digitalisierung und Automation, aber insbesondere auch Kundenorientierung und Qualität werden Kalibrierlabore weiterhin in der Lage sein, massgeschneiderte und auf die Bedürfnisse und Anforderungen ihrer Partner ausgerichtete Leistungen anzubieten.

In der Schweiz existieren aktuell 93 SCS-akkreditierte Kalibrierlabore – nebst einer Vielzahl weiterer und teils unternehmensinterner Laboratorien. Die SCS-akkreditierten Labors – diese sind von der Schweizerischen Akkreditierungsstelle SAS begutachtet und akkreditiert und dem Eidgenössisches Institut für Metrologie METAS untergeordnet – gewähren die metrologische Rückführbarkeit. Das bedeutet, dass Referenzgeräte durch eine ununterbrochene Kette von Vergleichsmessungen an nationale oder internationale Standards angeschlossen sind. Die Fachkompetenz in der Berechnung von Messunsicherheiten und die Wahl des geeigneten Verfahrens ist bei nach ISO/IEC/EN 17025 akkreditieren Labors formell anerkannt und deren Qualitätsmanagementsystem konform zu einem nach ISO/IEC 9001. Die Dienstleistungen der akkreditierten Labors orientieren sich demnach an den Normen der Serie ISO/IEC 17000 und vereinzelt an anderen normativen Grundlagen und gleichzeitig an den Ansprüchen aus der Industrie und der Dienstleistungsbetriebe. Wie reagieren die Laboratorien auf veränderte Anforderungen, und was sind die Erwartungen der Dienstleistungsempfänger an den Dienstleister? Dieser Artikel beleuchtet in vier Kapiteln voranschreitende, gegenwärtige und zukünftige Veränderungen bei Mess- und Kalibrierdienstleistern.

Vielfältige Messgeräte und geringe Ausfallzeiten

Der Markt hat längst reagiert, nämlich auf den Wunsch nach Vielfalt und Flexibilität. Während früher ein 4-Kanal-Oszilloskop im Einsatz war und entsprechend verwendet wurde, können neuere Generationen nicht selten auch als Spectrum Analyzer, Arbitrary Waveform Generator, Digital Multimeter und Power Supply genutzt werden. Diese neuen Multifunktionsmessgeräte reduzieren den Bedarf an mehreren Einzelgeräten und erhöhen die Effizienz, bringen aber auch neue Herausforderungen mit sich. Anwender müssen in einer Risikobeurteilung festlegen, welche Messbereiche relevant sind, wo die Einsatzgrenzen liegen und in welchen Intervallen eine Kalibrierung zu erfolgen hat, während von Labormitarbeitenden ein Verständnis dafür erwartet wird, wie das jeweilige Messgerät in der Praxis eingesetzt wird. Um die Kosten der Kalibrierung und die Ausfallzeiten gering zu halten, ist die Angabe der relevanten Messbereiche bei der Auftragsvergabe essenziell.

Um der Forderung nach geringen Ausfallzeiten und einer hohen Verfügbarkeit von Mess- und Prüfmittel gerecht zu werden, gewinnt die Kalibrierung vor Ort zunehmend an Bedeutung. Kurze Produktionsausfallzeiten und die stetige Einsatzfähigkeit der Mess- und Prüfmittel sind jedoch nur zwei Vorteile. Eine kalkulierbare Zeitplanung und die wegfallende Demontage von Einrichtungen und Logistikleistungen sind weitere Vorteile einer Kalibrierung vor Ort, welche die teils grösseren Messunsicherheiten und leicht höheren Kosten, die durch Fahrzeiten, Mahlzeiten, allfällige Übernachtungen und den Auf- und Abbau von Referenzgeräten entstehen, rechtfertigen. Durch die Integration der Kalibrierung vor Ort in die Akkreditierung erreichen Kalibrierlabore zudem, dass auch ausserhalb der Laborumgebung die Anforderungen einer akkreditierten Kalibrierung, wie Prozesse, Verfahren und Qualitätssicherung, gewährleistet sind, wodurch für den Dienstleistungsempfänger keine Nachteile in der Qualitätssicherung entstehen.

Digitale Auftragsabwicklung

Dass der Onlinehandel immer wichtiger wird und sich die Art, wie Aufträge vergeben und angenommen werden, verändert, ist längst kein Geheimnis mehr. Das Marktvolumen des Onlinehandels hat sich in der Schweiz in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Ein Beispiel: Der Online-Anteil am Handel mit Heimelektronik ist von 36 Prozent im Jahr 2019 auf 52 Prozent im Jahr 2022 gestiegen (GfK Markt Monitor Schweiz 2022). Diese Veränderung ist auch im B-2-B seit einigen Jahren spürbar. Denn als Konsument, sei dies im privaten oder beruflichen Kontext, haben sich die Gewohnheiten, Ansprüche und das Verständnis gegenüber dem Handel insgesamt verändert. Insofern es die Beschaffungsprozesse in den Unternehmen zulassen, werden auch Kalibrierlabore ihre Dienstleistungen vermehrt online anbieten. Durch die Angabe verbindlicher Kalibrier- und Transportkosten und das automatische Generieren von Angeboten lassen sich Beschaffungsprozesse vereinfachen. Durch die Terminreservation für die Kalibrierung können zudem Ausfallzeiten geplant werden.

Ein vollständig digitales Beschaffungsmanagement über Plattformen wie SAP Ariba oder Coupa hat sich bereits etabliert. Diese Plattformen haben zum Ziel, den Prozess der Beschaffung und der Verwaltung von Waren und Dienstleistungen für Unternehmen zu optimieren. Sie umfassen eine Reihe integrierter Funktionen, die es ermöglichen, Lieferanten zu verwalten, Kosten zu kontrollieren und eine nahtlose Koordination über die gesamte Lieferkette hinweg sicherzustellen. Das Ziel ist Effizienzsteigerung, Kostensenkung und letztlich die Schaffung eines Wettbewerbsvorteils durch die Automatisierung und Integration von verschiedenen Unternehmensprozessen. Ein verwandtes Thema, das an Wichtigkeit gewinnen könnte, ist der Electronic Data Interchange (EDI), zu Deutsch elektronischer Datenaustausch. EDI ist eine Technologie, die den Austausch von Geschäftsdokumenten, wie Bestellungen, Rechnungen und Lieferscheinen, zwischen verschiedenen Unternehmen in einem standardisierten Format ermöglicht. EDI macht papierbasierte Transaktionen und die manuelle Dateneingabe überflüssig und ermöglicht eine schnellere, genauere und effizientere Kommunikation zwischen den Partnern.

Zertifizierung von Umweltmanagementsystemen

Nach ISO/IEC/EN 17025 akkreditierte Kalibrierlabore sind konform zu einem Qualitätsmanagementsystem nach ISO/IEC 9001. Werden die Anforderungen nach Zertifizierungen auch für Labore weiter steigen? Während bei der Vergabe von Aufträgen primär normative und qualitative Anforderungen und ökonomische Grundsätze im Vordergrund stehen, werden ökologische Grundsätze zukünftig vermehrt eine Rolle spielen. Denn die Erwartung an die Partner, dass Unternehmensstrategien an ökologischen Prinzipien ausrichtet sind, steigt.

Gemäss dem deutschen Umweltbundesamt, die zentrale Umweltbehörde der Bundesrepublik Deutschland, ist die weltweite Anzahl an ISO 14001 Zertifikaten zwischen dem Jahr 2011 und 2021 von 250‘000 auf 450‘000 gestiegen. Die Kontrolle und kontinuierliche Verbesserung der betrieblichen Umweltpolitik, Umweltziele und das Umweltprogramm der Unternehmung stehen bei der Zertifizierung von Umweltmanagementsystemen im Zentrum. Während Produktionsbetriebe durch die Reduzierung des Abfallaufkommens, die Steigerung des Recyclings und der Wiederverwendung von Materialien Umweltauswirkungen verringern und einen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft leisten können, stehen Dienstleistern weniger effektive Massnahmen zur Verfügung. Konkret können Kalibrierlabore zur Temperierung der Laborumgebung und im Betrieb der Referenzgeräte jedoch Energieeffizienzmassnahmen umsetzen und auf erneuerbare Energiequellen setzen. Weiter können sie den Transport und die Logistik optimieren, und Interessensgruppen wie Sublieferanten und Zulieferer können in Umweltinitiativen miteinbezogen und gemäss ihrem Engagement berücksichtigt werden.

Elektronische Kalibrierzertifikate

Sind Daten das neue Gold? Fraglich. Aber die Erkenntnisse und das Wissen, das aus Daten gewonnen wird, sind zweifelslos wertvoll. Sie ermöglichen fundierte Entscheidungen und eine kontinuierliche Verbesserung und erhöhen das Verständnis für Abläufe. Damit Daten überhaupt analysiert und grosse Datensätze untersucht und interpretiert werden können, müssen diese in einem maschinenlesbaren Format wie CSV (comma seperated values) oder XML (eXtensible Markup Language) vorhanden sein. Dadurch können Daten automatisch eingelesen, systemübergreifend genutzt und zur Prozessoptimierung eingesetzt werden.

Durch die Bereitstellung von Kalibrierzertifikaten in einem maschinenlesbaren Format werden die Fertigungs- und Qualitätsüberwachungsprozesse unterstützt, da die einzelnen Messdaten einfacher ausgewertet, verstanden und weiterverarbeitet werden können. Zusätzlich wird die Rückverfolgbarkeit durch eingebettete Signaturen und Zeitstempel verbessert, und durch den Einsatz von Verschlüsselung und weiteren Sicherheitsmassnahmen ist die Datenintegrität gewährleistet.

Sowohl das Eidgenössisches Institut für Metrologie (METAS) wie auch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), das nationale Metrologieinstitut der Bundesrepublik Deutschland, arbeiten an einem universellen Austauschformat, in dem alle Zusatzinformationen (Daten und Metadaten) eingebettet sind und das «eine natürliche Weiterentwicklung des bestehenden Kalibrierungszertifi kats darstellt» (METAS, METinfo, 2022).

Einen Schritt weiter geht die Arbeit «A Distributed Calibration Certificate Infrastructure», zu Deutsch «Eine verteilte Infrastruktur für Kalibrierungszertifikate» (Schaerer, Braun, 2022). Darin wird eine auf der DistributedLedger-Technologie (DLT) basierte Infrastruktur zur Verwaltung von Kalibrierungszertifikaten beschrieben. Die Technologie ermöglicht die Validierung der Authentizität, die Integrität und Qualität der gemessenen Daten und die metrologische Rückverfolgbarkeit durch die Sicherung der Daten in einem dezentralen System. Dies bedeutet, dass fälschungssicher dokumentiert werden könnte, welche Messwerte tatsächlich gemessen wurden, ob der Prüfling in Toleranz war, welches Referenzgerät genutzt wurde, ob das Gerät zum Zeitpunkt der Kalibrierung bestätigt war und ob das Dokument eine gültige Signatur aufweist.

Während akkreditierte Vor-Ort-Kalibrierungen von einigen Kalibrierlabors in der Schweiz längst angeboten werden und Beschaffungsmanagementsysteme mittlerweile allgegenwärtig sind, werden sich elektronischen Kalibrierzertifikate zukünftig durchsetzen. Ob ISO 14001 zertifizierte Umweltmanagementsysteme bei Kalibrierdienstleistern gefordert und Blockchain ähnliche Systeme zur Validierung von Messwerten eingesetzt werden, ist ungewiss. Zweifelsfrei werden die akkreditierten Kalibrierlabore ihre Dienstleistungen und Prozesse auch in Zukunft adaptieren, um durchgehend anwendungs- und bedürfnisorientierte Leistungen anzubieten.

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