Messgeräte ausserhalb der Toleranz - was tun?

Die Genauigkeit von Messgeräten ist entscheidend für die Einhaltung von Qualitätsstandards in der Fertigung und Laborumgebung. Doch was passiert, wenn ein Gerät bei der Kalibrierung ausserhalb der Toleranz liegt? Dieser Artikel beleuchtet die Anforderungen an Messgeräte, geht den Ursachen von Abweichungen auf den Grund und erläutert, welche Massnahmen Unternehmen ergreifen sollten, um die Risiken zu minimieren und zukünftige Abweichungen zu verhindern.

Die Kalibrierung von Messmitteln ist in mehreren ISO-Normen geregelt, die je nach Anwendungsbereich und Branche relevant sind. Zu den wichtigsten gehören die ISO/IEC 17025:2017 (Prüf- und Kalibrierlaboratorien), ISO 13485:2016 (Medizinprodukte), ISO/TS 16949:2009 (Automobilindustrie) oder die ISO 9001:2015 - die am weitesten verbreitete ISO-Norm weltweit, welche die Anforderungen an ein Qualitätsmanagementsystem festlegt und in einer Vielzahl von Branchen und Organisationen angewendet wird.

Die Normen fordern in ähnlichem Wortlaut, dass Messmittel, die für die Überwachung und Messung oder zur Unterstützung von Prüfungen und Kalibrierungen verwendet werden, geeignet sowie kalibriert oder verifiziert sein müssen, um die Einhaltung regulatorischer Anforderungen sicherzustellen. Bei der Kalibrierung werden die angezeigten Werte des Messgeräts mit einem Referenzstandard verglichen, die Messabweichung (Messgenauigkeit) dokumentiert, die Messunsicherheit berechnet und ein Kalibrierzertifikat ausgestellt. Verifizierung hingegen ist eine qualitative Prüfung, bei der festgestellt wird, ob eine spezifische Anforderung erfüllt wird, ohne dabei eine Aussage über die Messunsicherheit oder -abweichung zu treffen.

Voraussetzung dafür ist, dass Messmittel in prüfpflichtig oder nicht prüfpflichtig unterteilt sind. Prüfpflichtig sind diejenigen Messmittel, welche für sicherheits-, qualitäts- und prozessrelevante Messungen verwendet werden. Ausserdem erfordert dies die Festlegung eines Intervalls, das den zeitlichen Abstand bestimmt, in dem eine Kalibrierung oder Verifizierung durchgeführt wird. Dieses Intervall wird individuell festgelegt und richtet sich nach Faktoren wie Umwelteinflüssen, Nutzungshäufigkeit und der spezifischen Anwendung im Prozess.

Einige Normen, insbesondere in stark regulierten Branchen wie der Medizintechnik, der Pharmaindustrie oder der Präzisionsfertigung, fordern, dass die Kalibrierung mit Messnormalen erfolgt, welche auf internationale oder nationale Standards rückführbar sind. Diese Messnormalen oder die verwendeten Messmittel müssen daher zwingend von akkreditierten Stellen kalibriert werden, die dem nationalen Standard, in der Schweiz dem Eidgenössischen Institut für Metrologie (METAS), untergeordnet sind.

Ein akkreditiertes SCS-Labor, das von der Schweizerischen Akkreditierungsstelle (SAS) begutachtet und akkreditiert wurde, gewährleistet die metrologische Rückführbarkeit, indem es Referenzgeräte durch eine ununterbrochene Kette von Vergleichsmessungen an nationale oder internationale Standards anbindet. Die Fachkompetenz in der Berechnung von Messunsicherheiten und die Auswahl des geeigneten Verfahrens sind in nach ISO/IEC 17025 akkreditierten Laboren formell anerkannt und deren Qualitätsmanagementsystem konform zu einem nach ISO/IEC 9001:2015.

Ursachen von Messabweichungen

Jedes Messmittel weist aufgrund seiner Konstruktion, der verwendeten Komponenten und der Umgebungsbedingungen eine gewisse Toleranz auf. Solange die maximalen Toleranzwerte, die der Hersteller in den technischen Daten angibt, nicht überschritten werden, besteht kein Anlass zur Besorgnis. Eine Abweichung bei der Kalibrierung wird erst dann festgestellt, wenn die gemessenen Werte ausserhalb der zulässigen Toleranzen liegen. Die Toleranz kann in diesem Zusammenhang auch als Gesamtabweichung bezeichnet werden.

Es gibt mehrere mögliche Ursachen für solche Abweichungen. Mechanische Komponenten können durch ständige Nutzung verschleissen, während elektronische Bauteile mit der Zeit an Genauigkeit verlieren. Extreme Temperaturen oder häufige Temperaturschwankungen können die Messgenauigkeit erheblich beeinträchtigen. Zudem kann hohe Luftfeuchtigkeit zu Korrosion führen, während starke Erschütterungen oder wiederholte Vibrationen mechanische und elektronische Teile schädigen können.

Unsachgemässe Handhabung, Nutzung und Wartung, wie beispielsweise grobe Bedienung, falsches Transportieren oder Lagern sowie der Betrieb von Geräten über ihre spezifizierten Grenzwerte hinaus, können ebenfalls zu fehlerhaften Kalibrierungen führen. Diese Faktoren können isoliert oder in Kombination auftreten und dazu führen, dass ein Messgerät bei der Kalibrierung ausserhalb der festgelegten Toleranzen liegt.

Umgang mit Kalibrierabweichungen

Um die Qualität und Sicherheit von Messungen zu gewährleisten, verlangen die zuvor genannten ISO-Normen spezifische Massnahmen im Umgang mit Messgeräten, die bei der Kalibrierung ausserhalb der Toleranz liegen. Eine systematische Vorgehensweise zur Behandlung solcher Geräte umfasst unter anderem die Dokumentation der Abweichungen. Dies beinhaltet die sorgfältige Aufzeichnung der Ergebnisse sowie die Erstellung eines Kalibrierzertifikats. Darüber hinaus sollten technische Analysen durchgeführt werden, um die Ursachen der Abweichung zu ermitteln.

Im Rahmen einer Risikobewertung wird ermittelt, ob die festgestellte Abweichung sicherheitsrelevant ist. Dabei wird analysiert, welche potenziellen Auswirkungen eine fehlerhafte Messung haben könnte und wie hoch das Risiko ist, dass die Abweichung die Qualität der Produkte oder Dienstleistungen beeinträchtigt hat.

Falls diese Analyse eine tatsächliche Unsicherheit aufdeckt, ist der nächste Schritt die Identifizierung der Messtätigkeiten, bei denen das fehlerhafte Gerät eingesetzt wurde. Es ist davon auszugehen, dass der gesamte Zeitraum zwischen der letzten ordnungsgemässen Kalibrierung und der festgestellten Abweichung verdächtig ist, und alle Messungen, die während dieses Intervalls durchgeführt wurden, überprüft werden müssen. Je nach Anwendung sollten als Massnahme statistische Stichproben der produzierten Einheiten entnommen und getestet werden, oder es kann eine umfassende Überprüfung aller Produkte, die mit dem fehlerhaften Messgerät hergestellt wurden, notwendig sein, um sicherzustellen, dass diese den Qualitätsanforderungen entsprechen.

Zusätzlich sollten Kunden, die Produkte erhalten oder Dienstleistungen in Anspruch genommen haben, informiert werden, insbesondere wenn es sich um sicherheitsrelevante Produkte und Leistungen handelt. Bei erheblichem Risiko oder festgestellten Qualitätsmängeln kann es notwendig sein, Produkte zurückzurufen.

Umgang mit betroffenen Messgeräten

Für das betroffene Messgerät, dessen Konformitätsaussage im Kalibrierzertifikat als „failed“ ausgewiesen ist, stehen drei mögliche Massnahmen zur Verfügung, um die Qualität und Sicherheit der Messungen wiederherzustellen. Erstens kann das Gerät ausser Betrieb genommen werden. Zweitens besteht die Möglichkeit, es als „passed with restrictions“ zu klassifizieren. Drittens kann eine Justierung des Geräts vorgenommen werden. Es sei angemerkt, dass die Konformitätsaussage nicht zwingend Bestandteil eines Kalibrierzertifikats ist, jedoch häufig von Laboren getroffen wird, um den Anwendern die Interpretation der gemessenen Werte zu erleichtern.

Im Falle der ersten Massnahme, also der Ausserbetriebnahme des Geräts, ist es erforderlich, die „as found“-Kalibrierung durch ein Zertifikat zu dokumentieren. Dies ist besonders wichtig, um die Messwerte in der Vergangenheit nachvollziehbar zu sichern, da sich der Fokus bei einer Nichtkonformität in erster Linie auf die Vergangenheit richtet. Diese Dokumentation kann entscheidend sein, um festzustellen, ob und in welchem Umfang die fehlerhaften Messungen die Qualität der Produkte oder Dienstleistungen beeinträchtigt haben.

Im zweiten Fall wird das Gerät weiterhin verwendet, allerdings unter bestimmten Einschränkungen. Die Klassifizierung als „passed with restrictions“ ist oft sinnvoll, wenn das Messgerät zwar nicht vollständig konform ist, jedoch in einem akzeptablen Rahmen für bestimmte Anwendungen eingesetzt werden kann. Eine klare Dokumentation und Kommunikation dieser Einschränkungen an alle Benutzer ist allerdings entscheidend, um Missverständnisse und Fehlanwendungen zu vermeiden.

Bei der Justierung – der dritten Möglichkeit - wird ein Messgerät so eingestellt, dass eine systematische Messabweichung möglichst minimiert wird. Abhängig von der Art des Messgeräts kann dies die Justierung eines oder mehrerer Messpunkte umfassen. Im Gegensatz zur Kalibrierung erfolgt beim Justieren ein aktiver Eingriff in das Messsystem, weshalb eine Nachkalibrierung mit dem Ergebnis „as left“ zwingend erforderlich ist. Dies gewährleistet eine lückenlose Nachverfolgbarkeit aller Messergebnisse und sichert die Integrität der Messdaten.

Bedeutung der Kalibrierungen in der Messtechnik

In der Messtechnik ist eines gewiss: Jeder Messwert und jede Grösse unterliegen Veränderungen – der Zeitpunkt dieser Veränderungen ist jedoch variabel. Daher ist die regelmässige Kalibrierung von Messmitteln, gegebenenfalls ergänzt durch eine Validierung zwischen den Kalibrierungen, die einzige Möglichkeit, um frühzeitig Abweichungen im Messverhalten zu erkennen. Es sollte auch geprüft werden, ob die Intervalle für zukünftige Kalibrierungen verkürzt werden sollten, um Abweichungen frühzeitig zu erkennen.

Bei der Festlegung neuer Kalibrierintervalle sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen, wie etwa Umwelteinflüsse, die Häufigkeit der Nutzung und der spezifische Einsatz des Geräts im Prozess. Anhand von in der Vergangenheit gemessenen Werten lässt sich abschätzen, wann einer oder mehrere Messpunkte möglicherweise nicht mehr die erforderliche Genauigkeit aufweisen. Auf dieser Grundlage können realistische Aussagen über geeignete Intervalle getroffen werden, um Risiken in der Zukunft zu minimieren.

Darüber hinaus ist es ratsam, Kalibrierungslabors in Betracht zu ziehen, die eine Konformitätsaussage treffen. Diese Konformitätsaussage, die aus den Ergebnissen der Kalibrierung resultiert, wird in einer klaren und verständlichen Form präsentiert. Dies erleichtert die Interpretation der Ergebnisse für den Anwender und macht sie oft erst möglich.